Im Kern der dunklen Jahreszeit erscheinen in die Galerieräume Naturgrafiken, von Ebbe und Flut in den feinen Sand gewälzt und bei hohem Sonnenstand schattenlos beleuchtet.
Jürg Stauffer (*1950) führt als ausgebildeter Fotograf sein Atelier für Foto + Gestaltung in Langenthal. Neben der Fotografie hat er sich auch intensiv mit Ausstellungs- und Museumsarbeiten auseinandergesetzt, etwa als Co-Projektleiter des neuen Archäologischen Museums Kanton Solothurn in Olten. Seine Bilder präsentierte er in verschiedenen Ausstellungen, unter anderem am Umweltfotofestival Zingst, wo er 2018 den 1. Preis des Epson Digigraphie-Fotowettbewerbs gewann.
Ich atme. Atme ein. Halte. Atme aus.
Es tut mir gut, hier zu sein.
Während ich das schreibe, bin ich noch nicht hier. Während ich diese Worte schreibe, sitze ich am Küchentisch. Nur die kleinste Lampe brennt. Ein warmes Licht. Die Katzen springen abwechselnd zu mir hoch.
Während ich das schreibe, bin ich noch nicht hier. Aber ich befinde mich in Zuversicht.
Ich begegne euch und draussen wird Wetter sein.
Es tut mir gut.
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von Melanie Pfützenreuter
Ich atme. Atme ein. Halte. Atme aus.
Es tut mir gut, hier zu sein.
Während ich das schreibe, bin ich noch nicht hier. Während ich diese Worte schreibe, sitze ich am Küchentisch. Nur die kleinste Lampe brennt. Ein warmes Licht. Die Katzen springen abwechselnd zu mir hoch.
Während ich das schreibe, bin ich noch nicht hier. Aber ich befinde mich in Zuversicht.
Ich begegne euch und draussen wird Wetter sein.
Es tut mir gut.
Hier in verwandelten Räumen.
Filigranen Linien entlang wurden kleine Nägel eingeschlagen. Die Bildnisse halten gleichermassen Abstand, wie sie auch in kraftvoller Verbundenheit auftreten.
Befüllt mit Achtsamkeit hat Jürg Stauffer die Feinheit der Natur, verwoben mit Liegengebliebenem und Hergespültem in Verbindung mit Kunst gebracht.
Aufgenommen in ehrlichem Purismus. Übernommen, wie die Szenerie sich ihm angeboten hat. Erkannt, welch zärtliche Einigung sich zwischen den Substanzen formte.
Ich tauche ein, in die von seinen Augen gesammelten Momente.
Ich tauche ein, in die verfängliche Einfachheit der Bruchstücke eines vergangenen Existierens.
Meine Lider lassen los, schliessen sich leise. Meine Schultern lösen sich aus der Starre und mein restlicher Körper folgt. Ich verspüre die Dringlichkeit, mich hinzugeben. Die Reise anzunehmen.
Es riecht nach Salz.
Hörst du das Geräusch auf meiner Zunge?
Bin ich in deiner Wahrnehmung?
Stehen wir uns gegenüber oder ist der Himmel trächtig einer Illusion?
Wenn ich falle, fängst du mich?
Bin ich schwer in deinem Arm?
Würdest du mich trösten?
Könnten wir uns lieben?
Passt mein Kopf in deinen Schoss?
Ich spreche dich an, als wäre ein Zurückhalten möglich. Als könnte ich dich für eine Umarmung mit mir tragen. Ich spreche dich an, als gingst du neben mir. Als würden unsere Spuren sich ergänzen. Als gäbe es Gleichschritt.
Bleiben wir nur kurz
Wieviel Gewicht
Hat ein jeder Schritt den wir gehen?
Verweilen wir
Wie lange
Können wir uns entscheiden?
Niemals. Es wird niemals sein. Du trägst in dir Verwandlung. Du bist und du löst dich gleichzeitig auf. Du bestehst einzig aus Erinnerung. Dich aufrecht zu halten unterliegt einem jeglichem Scheitern. Wie die Gezeiten unablässig ihrem Rhythmus folgen ohne im Stillstand zu verweilen. Du veränderst dich. Und du veränderst mich.
Gelingt es dir, mich vom Schmerz zu lösen?
Wiege ich mich bei dir in Sicherheit?
Wie kann ich dich erreichen?
Ziehst du wolkengleich an mir vorbei?
Zerbröckelt meine Seele?
Dürstest du auch nach mir?
Bist du mir ein Schutz?
Kann ich deine Gestalt erahnen?
Ich atme. Atme ein.
Du bist die Vergänglichkeit. Ich versuche dich verzweifelt zu halten. Halten, bevor du mir durch die Finger rinnst. Bevor du mir durch die Finger rinnst wie dieser weisse Sand. Ich könnte dich nicht unterscheiden vom schon gelegenen.
Ich atme aus.
Meine Hände formen sich zu einem Schälchen. Du könntest dich hineinsetzen. Ich würde dich behüten. Ich würde dich streicheln. Ich würde dich niemals bedrängen.
Und doch scheint das nicht der Sinn. Nicht der deine. Nicht der meine.
Das Hinterhersehnen trägt neben dem Vermissen auch einen Teil des Gefühls verwandt einer Hoffnung in sich.
Hoffen auf Leichtigkeit. Hoffen auf das Schliessen von klaffenden Wunden. Hoffen auf einen Neubeginn. Hoffen auf Entfaltung.
Aber auch Hoffen auf Wiederholungen. Hoffen auf Beständigkeit. Hoffen auf Verschmelzung. Hoffen auf wenigstens eine all dieser Formen von Liebe die ein Mensch in sich zu tragen vermag.
Noch immer stehe ich hier, weinend, lachend, träumend, erwachend, die Füsse vergraben im Sand.
Die Flut erreicht mich mit umfassender Gewissheit.
Die Ebbe zieht meine träge gewordenen Gedanken mit sich.
Die Sonne hält sich am Zenit. Hell. Es ist so hell. Der unter mir schlafende Schatten lauert. Er wartet darauf, mich zu umschliessen. Mich mit sich in die Unmerkbarkeit zu ziehen. Mit sich zu ziehen und mich an sich zu binden. Ich würde verschwinden. Ich werde verschwinden. Ich verschwinde.
Dankend für all das was war.
Geduldig mit all dem was kommt.
Aufrichtig in all dem was ist.
* literarische Annäherung an die Ausstellung durch eine Drittperson, wird jeweils an der Vernissage vorgelesen, kann von den Besuchenden gratis mitgenommen werden.