Eine Reise zu sechs Stadien und Fans: Italien, FC Langenthal und Young Boys
Auch unter den Sportuninteressierten kennen fast alle Namen wie Pelé, Maradona oder Messi – die Fussballgötter. Im Namen Maradonas wurde sogar eine Kirche gegründet. Es handelt sich dabei zwar um eine Spassreligion, doch die kulturellen Parallelen zwischen Fussball und Glauben sind im Allgemeinen nicht gerade subtil: Sei es die Vergötterung von Spielern, die Hingabe zur Mannschaft oder der Fankurve oder die beständige Anwesenheit im Stadion bei jedem Spiel. Diese sind sinnstiftend und führen oft auch zu fanatischem Verhalten mit Hass und Aggression gegenüber dem Gegner. Fussball als eine Art von säkularem Glauben weckt auch das Interesse von Peter Matter und inspiriert seine Fotoserie Calcio-Triptychen. Die Form des Triptychons entnimmt er den Renaissance-Altarbildern (ein Beispiel sind die berühmten Isenheimer Triptychen von Grünewald) in den katholischen Kirchen und füllt sie mit Fussball statt mit heiligen Bildern.
Die Mittelbilder entstanden meistens einen Tag vor dem Spiel in der Ruhe der Stadionumgebung. Unbeachtete Details an der Stadionaussenwand, bei der leeren Tribüne – Peter Matter richtet die Kamera gekonnt auf Dinge, die im Alltag schnell übersehen werden können oder während des emotional geladenen Fussballspiels in den Hintergrund geraten. Die Porträts der Fans entstanden kurz vor dem Spiel und mussten gut und spontan getimt werden: auf die Fans zugehen, fragen, einen Hintergrund finden und knipsen. Dabei legt der Fotograf Wert darauf, Männer und Frauen gleichmässig zu repräsentieren. Die Triptychen in der Galerie werden durch eine Geräuschkulisse von Fangesängen sowie mit Hintergrundinformationen zum Fussball untermalt.
Italienische Klubs und die Stimmung ihrer Reporter und Fans haben bei Peter Matter in seiner Kindheit während Familienferien in Italien eine emotionale Bedeutung erzeugt. Zudem sind die Kontakte zu den friedlichen Fans ein Sinnbild für friedlichen und fairen Fussball, nichtsdestotrotz bewundert er die Fans und ihre Choreografien und Fangesänge. Es gilt auch zu bedenken, dass die Ultras in einem sogenannt rechtsfreien Raum ihrem vom Klub „gesponserten“ Hobby nachgehen können. Pyrotechnisches Material und Gewalt gegen gegnerische Fans gehören zur Fankultur, und Lösungen des Problems sind in der Schweiz nicht in Sicht. Ist das mit den heiligen Kriegen im Namen der Religion zu vergleichen?
Diese und andere Phänomene rund um das Thema Fussball können bei Führungen ergebnisoffen diskutiert werden. Neben der Ausstellung, die für alle offen ist, bietet Peter Matter auch Führungen für Schulen an. Diese können im voraus gebucht werden.
ÖFFNUNGSZEITEN:
Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag: 18:00 - 22:00
Peter Matter wurde in Bern geboren und begann 1971 mit analoger Fotografie. Heute fotografiert er mehrheitlich digital und legt den Fokus auf Street-, Portrait-, Sport- und Still-Life-Fotografie. Dabei steht nicht das perfekte Hochglanzbild zuhanden einer «elitären Fotokultur» im Zentrum, sondern oft das etwas unperfekte Bild als authentisches Abbild der Realität. Zudem sind die stimmigen Bilderserien eine Art von fotografischem Geschichtenerzählen.
Seine Bilderserien sind Zeugen von Liebe zum Detail, zur Spontanität und zu seiner Umgebung, sei es bei Portraits von Menschen oder Fotografien aus der Natur. Dynamische Abbildungen von Sport und städtischen Hotspots zeigen eine jahrelange Übung darin, im richtigen Moment den Auslöser zu drücken. Seine wiederkehrenden Motive und Kompositionen laden die Betrachtenden ein, sich auf die konzeptuelle Qualität seiner Arbeit einzulassen. Die Kamera begleitet ihn stets auf seinen Reisen, um die flüchtigen Momente des Lebens festzuhalten. Dies machte er auch in den Fussballstadien in Italien und der Schweiz, in denen die Calcio-Triptychen entstanden sind.
Beat Hasler ist Autor und Texter in Langenthal und als ehemals verbissener Amateurschütteler ganz besonders an allen Belangen rund um die «wichtigste Nebensache der Welt» interessiert.